Nach Nikkō wollte ich ursprünglich am Montag mit Lilith fahren. Das habe ich dann aber abgesagt, weil Will am Montag seinen freien Tag hatte und ich den mit ihm verbringen wollte, was im Nachhinein eine sehr dumme Überlegung war. Lilith fuhr schließlich auch ohne Zwischenstopp in Nikkō weiter nach Hokkaidō.
Weil ich mich über Will ärgerte (oder eher meine Bereitschaft, für eine völlig unspektakuläre Verabredung einen kompletten Tagesausflug abzusagen), fuhr ich am Mittwoch allein nach Nikkō. Es war der letzte Tag, an dem mein sheishun-18-kippu gültig war und ich hatte noch ein Fleckchen darauf frei, das für irgendwas Sinnvolles genutzt werden musste. Die meisten Leute kennen Nikkō höchstwahrscheinlich wegen der drei Affen („nichts Böses sehen, nichts Böses hören, nichts Böses sagen“), die ja irgendwie den Weg von buddhistischer Tempelfassade in den Pop-Mainstream geschafft haben. Nikkō ist aber ansonsten ungefähr wie Lübeck oder Weimar für Deutschland. Eine Kleinstadt irgendwo mittendrin, irgendwann mal Hauptstadt oder zumindest wichtig, vollgestopft mit Kultur und dementsprechend ist gefühlt auch jedes zweite Gebäude UNESCO-Weltkulturerbe. Mir hat Nikkō trotzdem ganz gut gefallen, vielleicht gerade, weil ich alleine dort war. Ich hatte mit einer Verbindung am Morgen so viel Zeit verloren, dass ich in Nikkō selbst bloß 5 Stunden Zeit hatte, in denen ich mir die Shinkyō-Brücke (rot!), den Tōshōgū-Tempel (schlafende Katze) und den Rinnōji-Tempel (eigentlich drei Buddhas, aber zur Zeit nur einer wegen Renovierung) angesehen, bin durch die Kanman-ga-fuchi-Schlucht gelaufen (mein persönliches Highlight in Nikkō) und habe mir schließlich in den unzähligen Rümpel-Antik-Geschäften an der Hauptstraße alle möglichen Japan-Souvenirs gekauft, die ich Freunden in Deutschland mitbringen kann. Ich bin außerdem endlich mal dazu gekommen, die ersten Postkarten zu stempeln und zu schreiben (bei jeder Sehenswürdigkeit in Japan gibt es nämlich öffentliche Stempelstationen mit dem jeweiligen Motiv und man kann man sich da ein leeres Blatt Papier, eine Kladde oder eben Postkarten stempeln). Das hatte ich bisher völlig aufgeschoben, weil ich schlichtweg nicht dazu gekommen bin. Nikkō tat gut nach zwei Wochen Hektik in Tōkyō. Lonely, leise und langsam, so würde sich Nikkō anhören, wenn es ein Lied wäre. Am frühen Abend habe ich mir dann die Rückfahrt mit dem Hochgeschwindigkeitszug Shinkansen gegönnt, obwohl ich eigentlich auch mit meinem sheishun-18-kippu die Lokalzüge hätte nehmen können. Der Shinkansen von Utsonomiya nach Tōkyō war zwar mit ¥4400 (= 31,25€) nicht günstig, aber tatsächlich mit 300km/h ultraschnell und irgendwie dann auch sehr cool. Hochgeschwindigkeit gehört vielleicht ebenso zu einer ordentlichen Japanreise dazu, wie die kriechende Langsamkeit, mit der ich mir wochenlang japanische Tempel inspiziert habe. Was ich gelernt habe: hoffentlich tatsächlich, weniger Böses zu sagen, zu hören und zu sehen. Praxistest dann in Deutschland. Was ich hätte brauchen können: einen Mülleimer. Ich habe ungelogen den ganzen Tag meinen Müll in einer Tüte durch Nikkō geschleppt, um ihn dann erst in Tōkyō wegzuschmeißen. Wen ich grüße: Meine ausgeglichensten und unhektischsten Freunde, die mir gerade so einfallen, nämlich Janine in Kanada, Ralf in Brandenburg und Cornelius in Brüssel. Song des Tages: Mein Mikrofon von Jennifer Rostock („Du sitzt da wie drei Affen, nur nicht sprechen, hören, gucken!“)
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Mai 2018
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