Für die, die es wirklich interessiert: es regnet in Strömen in Osaka. Am Wochenende soll es sogar einen Taifun geben, zumindest sagen das die drei Japaner, die wir gestern in einer Bar kennengelernt haben.
Lilith und mir ist das Wetter aber gerade noch ziemlich jacke, denn wir sind noch ausreichend damit beschäftigt hier alles verdammt großartig zu finden. Vor inzwischen 36 Stunden sind wir in Hamburg in unseren Emirates Flieger gestiegen und ich habe mir, um ehrlich zu sein, etwas Sorgen gemacht. Mir ist auf der einen Seite mulmig, wegen der traurigen Nachrichten über Flugzeugabstürze, die uns in den letzten Wochen erreicht haben. Zum anderen habe ich mir koscheres Essen gebucht (eigentlich nur, weil gehofft hatte, dass Extrawürste schneller serviert würden und besser schmeckten) und vor 4 Monaten nicht darüber nachgedacht, dass koschere und halale Fresspakete zurzeit auch fast ein politisches Statement sind. Ziemlich cool war allerdings, dass das koschere Essen echt 50 mal versiegelt wurde, nachdem es die segnenden Hände irgendeines Londoner Rabbis verlassen hat und erst unter meinen fake-koscheren Augen wieder von den netten Stewardessen wieder geöffnet wurde. Nach knapp 7 Stunden Flug (und unter Umfliegung der Lufträume der Ukraine und des Irak) kamen wir in Dubai an und ich mir dort für 40 Arabische Dirham pro Stange Zigaretten (= 16 Euro) einen gesamten Monatsvorrat an Glimmstengeln zugelegt. Unser Flug nach Osaka hatte Verspätung, aus operational reasons, was auch immer das bedeuten mag. Um 18 Uhr japanischer Zeit kamen Lilith und ich dann schließlich leicht zerknüllt und gereizt am Kansai International Airport an. Unsere erste Amtshandlung bestand darin, uns ohne nennenswerte Englischkenntnisse auf der einen und ohne nennenswerte Japanischkenntnisse auf unserer Seite den Weg zu unserer ersten Couchsurferin erklären zu lassen. Das hat nur so ungefähr eine Stunde in Anspruch genommen, was man als Erfolg werten kann. Dann mussten wir das beste (= günstigste) Ticket für Osakas Öffentlichen Nahverkehr ausfindig machen, was dank einer sehr netten japanischen Lady, die ausgezeichnet Englisch sprach, innerhalb weniger Minuten erledigt war. Wir haben uns für die ICOCA-Karte entschieden, die wie eine Prepaidkarte funktioniert und erstmalig ¥ 2000 (= 14,30€) kostete. Man lädt Guthaben darauf, welches jeweils von der Karte abgebucht wird, sobald man sich nach einer Fahrt durch die elektronische Absperrung am U-Bahn-Ausgang bewegt. Vorteil: man muss vorher einfach nicht mehr darüber nachdenken, mit welcher Linie man jetzt wo hinfährt und ob man nicht vielleicht in die Linie eines anderen Anbieters umsteigen möchte. In der U-Bahn fiel mir zuallererst auf, dass mir im Grunde gar nichts auffiel. Die Osakaner waren nicht irgendwie bunt und zuckersüß und hellokittyesk gekleidet, wie ich es vielleicht befürchtet hatte. Eigentlich sahen sie aus wie U-Bahn-Gäste in Berlin eben auch aussehen. Schließlich kamen wir um 21 Uhr bei Yuko an, die eine kleine Bar betreibt, die sich River and Castle side space nennt und einen wunderschönen, wenn auch verregnet Blick auf genau ebendiese Sehenswürdigkeiten bietet: das Osaka Castle, einen Seitenarm des Flusses Yodo und die imposante Wolkenkratzer-Skyline am anderen Ufer. Jetzt ist es offiziell: wir sind in Japan. Das Konzept von Yukos Bar ist denkbar einfach: allabendlich kommen eine Hand voll japanische Freunde von Yuko vorbei, dann noch die westlichen Touristen, die gerade in den Futonbetten im Zimmer nebenan schlafen (= wir) und die lernen sich dann bei Asahi Bier und Sake kennen. Die Preise sind moderat, wie generell bisher eigentlich alles recht bezahlbar war in Osaka. Dass es trotzdem die zweitteuerste Stadt der Welt nach Tokio sein soll, kann ich also gerade irgendwie nicht bestätigen. Die ersten Biere in Japan tranken wir jedenfalls in freundlicher Gesellschaft von unserer Gastgeberin Yuko, einem Yoichi, der erschreckend gut „Schön, dich kennenzulernen!“ auf deutsch sagen konnte, einer jungen Frau namens Saki, die völlig hin und weg von Lilith und ihrer Ukulele war, einer Wakana, die uns Tako-Yaki (mit Tintenfisch und Frühlingszwiebeln gefüllte Teigbällchen, erinnerten mich lustigerweise an die schleswig-holsteinische Förtchen meiner Tante) zubereitete und einem weiteren jungen Mann, der einen langen unaussprechlichen Namen hatte, aber uns irgendwann erlaubte, ihn einfach Yoshi zu nennen. Weil es in dem River and Castle side space keine Dusche gibt, sind Lilith und ich noch um Mitternacht aufgebrochen, um in der Nachbarschaft einen von Yuko beschriebenes Sentō, ein öffentliches Bad, ausfindig zu machen. Für ¥ 440 (= 3,20€) konnten wir dort nicht nur duschen, sondern auch in pipiwarmen Becken rumsitzen und ins Dampfbad gehen. Das Ganze fand nach Geschlechtern getrennt und splitterfasernackt statt, was ich erst etwas seltsam und dann aber ziemlich witzig fand. Bedenken hatte ich auch wegen meiner Tättowierungen, die man in Japan der Yakuza zuschreibt, der japanischen Mafia. An meinen niedlichen Quallen und Libellen störte sich dann aber glücklicherweise niemand. Auf dem Rückweg vom öffentlichen Bad gingen wir noch in ein benachbartes japanisches Bistro, in dem wir uns mangels Lonely Planet und sonstige Sprachführer gezwungenermaßen verhielten wie die lausigsten Touristen. Ich zeigte auf die Karte und bestellte völlig random 5 kleine Fisch-Gerichte (jeweils ¥ 190 = 1,35€), was unseren Nachbartisch ziemlich belustigte. Wir kamen irgendwie ins Gespräch, was insofern ziemlich außergewöhnlich war, weil von den drei Jungs Tomo, Toshi und Joshi nur Toshi wirklich englisch sprechen konnte, weil er mal drei Monate in den USA gelebt hat. Trotzdem brach unser Gespräch erst zwei Stunden und einige Bier später ab, als Lilith und ich vor Müdigkeit wirklich kaum noch aufrecht stehen konnten. Tomo hatte unsere komplette Rechnung beglichen, verwies auf die japanische Gastfreundschaft und wir versprachen unter zigfachem arigatō gozaimasu! (= Vielen Dank!) sie morgen im Miki zu besuchen. Immer wieder musste ich angesichts solch eines warmen Empfangs daran denken, wie ätzend Touristen in Berlin häufig behandelt werden und schämte mich stellvertretend. Was wir gelernt haben: ēgo ga hanase masu ka (= Sprechen Sie Englisch?), wie man Tako-Yaki zubereitet Was wir hätten brauchen können: eine idiotensichere Ausschilderung des öffentlichen Bades Wen ich grüße: Meine Mama, weil ich ihr versprochen habe mich per Blogeintrag bei ihr zu melden, wenn ich gut angekommen bin. Das ist hiermit geschehen. Song des Tages: Spending all my time von Perfume
0 Kommentare
Neulich in Schleswig-Holstein Nordstrand, Schleswig-Holstein Timmendorfer Strand, Schleswig Holstein
am grauen strand, am grauen meer
und seitab liegt die stadt; der nebel drückt die dächer schwer, und durch die stille braust das meer eintönig um die stadt. es rauscht kein wald, es schlägt im mai kein vogel ohn' unterlass; die wandergans mit hartem schrei nur fliegt in herbstesnacht vorbei, am strande weht das gras. doch hängt mein ganzes herz an dir, du graue stadt am meer; der jugend zauber, für und für ruht lächelnd doch auf dir, auf dir, du graue stadt am meer. theodor storm - die stadt _ Es war wohl ein hübscher Zufall oder das, was man gemeinhin Schicksal nennt, dass diese seltsame blonde Dame am letzten Donnerstag im Hamburger Ego vor mir stand. „Ich bin eine Prinzessin!“, sagte sie. „Trag mir das in meinen Kalender ein.“, sagte ich. Es ranken sich Legenden um die genaue Entstehungsgeschichte unserer Freundschaft, aber zumindest Kapitel II lässt sich an dieser Stelle wahrheitsgemäß wiedergeben.
Es war wieder ein Donnerstag – Schicksal? – und auf der kleinen Bühne der Hasenschaukel stand Donkey Princess, ihres Zeichens musikale Prinzessin des Hamburger Kiezes. Auch die seltsame Blonde von letzter Woche war anwesend. Donkey Princess verstand es vom ersten Moment ihres Konzerts an für andächtige Stille zu sorgen. Ein Glockenspiel, ein Keyboard und ein Metronom sind die Stargäste ihrer spektakulären One-Woman-Show. Etwas lillyallenesk kommt sie daher mit ihrem sloane-speak; die große Hornbrille rutscht ihr gelegentlich von der Nase und das Publikum liebt sie. Nicht bloß so als Floskel, sondern wirklich. Es sitzen Leute auf dem Boden, es ist stiller als bei Mutti unterm Weihnachtsbaum. St. Pauli hat sich versammelt, um zu hören, was Donkey Princess zu erzählen hat. Superheldin auf dem Schlachtfeld der Sehnsucht, sagt der Flyer. Keine Frage. Virtuos covert sie Culture Beat und Rihanna, liefert Selbstgeschriebenes das nach Großartigem klingt und irgendwie besinnlich stimmt. Was ist dieser Mr. Wrong eigentlich für ein Penner?, fragt man sich plötzlich, obwohl das eigentlich schon vor zwanzig Jahren auf der Hand lag. Donkey Princess erinnert mich an eine Grundschulfreundin, die mir früher ihre Marmeladenstullen gab, wenn meine Mutter mich mit Schwarzbrot mit Käse quälen wollte. Genauso ist Donkey Princess: sie gibt uns das süße Zeug, wenn eigentlich grad gar nichts zucker ist. Liebeskummer klingt bei ihr wie Disneyland und plötzlich will man doch probieren Freunde zu bleiben, mit all den Mr Wrongs und Mr. Vains, die einem mal begegnet sind. „Fast fröhlich.“, sagt sie selbst leise. Sie ist nicht nur Prinzessin der alten Schule, sondern auch eine Songwriterin von der man auch jenseits der Hansestadt noch hören wird. Findet die Blonde von letzter Woche übrigens auch. (Käuflich ist Donkey Princess übrigens auch.) _ Brandneu! Metaebene! Jeder hat einen fancy Blog, vielleicht sogar einen hyperfancy Blog. An Klickzahlen bemisst sich, wer lahm ist und wer krasst ist. Hashtag hier - für immer und ewig. Hyperlink da - bis dass der Tod euch scheidet. Krass! Ein 88-jähriger US-Amerikaner hält uns mit seinem Fashionblog auf Trab. Bitter! Der iranische Student hat seit Wochen nichts gepostet. Gewagt! Eine junge Aegypterin fotografiert ihren nackten Körper und sieht nicht ganz glücklich dabei aus. So ist ihre Scham letztlich politisches Statement geworden. Verrückt! Neu! Schön! Makellos! Für jedes Ausrufezeichen stirbt ein Kind in Ostafrika. Super! Mega! Hyper!
Elektronische Träume. Mitten in der Nacht wacht er auf. Berlin, zwei Uhr sechsundzwanzig. Er weiß, dass er nicht talentlos ist, aber diese vielen Gedanken jede Nacht. Legen sich in sein Hirn wie Watte, ziehen sich auseinander, verspinnen sich ins Endlose, verknüpfen und verknoten sich, es ist der Wahnsinn. Hirnfilz. Geniestreich. Weiß er nicht. Draußen fängt es an zu regnen. Er schaltet das Licht in Prenzlauer Berg wieder an und geht in die Küche. Mixer, Mikrowelle, Geschirrspüler, Kühlschrank. Elektronische Träume. Sie leuchten blau. Mit einem Schälchen Reis in der gewölbten Handfläche, die Gabel grad im Mund, läuft er durch seine Wohnung. Nicht zu laut sein, die hysterische Mitbewohnerin könnte wach werden. Hat kein Verständnis für nächtliche Streifzüge über den Dielenboden. Die Verknüpfungen und Verbindungen lassen ihn nicht los. Er und seine Mitbewohnerin. Er und die brünette Kanadieren von letzter Woche. Die brünette Kanadierin und ihr Freund, der auf die Europareise nicht mitkommen konnte. Er und Mina. Er und sein Freund, der kürzlich nach Hamburg gezogen ist. Etwas verbindet ihn mit jedem, trotzdem steht er immer knapp daneben. Er ist der Einzelgänger unter den Individualisten, der wahre Gentleman neben den Konformisten. Er schleicht ins Wohnzimmer und steckt eine willkürlich gewählte Kassette in den Videorekorder. Romantic Comedy aus einer Zeit, in der das Wort Romantic Comedy noch nicht erfunden war. Er nimmt Anlauf, macht einen großen Satz, macht ein Komma, macht einen Punkt. Alle staunen und träumen. Elektronische Träume. Das öde Video flimmert hektisch durch seine Wattewolken, er schaut nicht richtig hin. Fönfrisuren aus den Achtzigern, die die Fünfziger zitieren. Es ist eine virtuelle Ueberflutung. Die schönsten elektronischen Träume stellen sich zu zweit vor der Arche auf, der Rest ersäuft. Weltuntergang statt Badeurlaub. Er setzt sich an seinen Schreibtisch, nimmt ein Blatt Papier und schreibt seinem Freund in Hamburg: „Ich halte Mina im Arm. Spaeter, nachdem ich einen dunkelhaarigen Grossen und eine Blonde mit Bob angemacht habe, tanze ich mit Mina im Schutz der anderen Gaeste, viele Körper entfernt von unseren Freunden. Ich beuge mich zu ihr herab, will ihr etwas zuflüstern. (Das ü ist der einzige Umlaut, den er mag.) Doch ich bringe nichts hervor und beisse (Er mag das ß nicht sonderlich. Es sieht aus wie ein großes B.) sie stattdessen sanft ins Ohrlaeppchen. Ihre Hand ist irgendwie auf meiner Brust. Dann küsse ich sie auf den Hals. Unsere Lieder sind vorüber, der Tanz ist sinnlos geworden, all meine Gefühle habe ich entlang den Liedzeilen hervorgewispert. Nun war ich leer und wollte gehen. Ich schloss die Augen. Nachbilder ihrer dunklen blitzenden Augen verfolgten mich überall hin.“ Er faltet das Blatt Papier, steckt es in ein Kouvert, befeuchtet den Rand mit der Zunge und schreibt die Adresse seines Freundes auf die Vorderseite. Auf die Rückseite malt er in Kapitälchen CONTAINS POP. _ Mein Leben ist irre langweilig in letzter Zeit. Hat er sich ja selbst ausgesucht, würde der schlaue Analytiker jetzt sagen, mit dem mich anzufreunden ich bisher tunlichst vermieden habe. Ganz Unrecht hätte diese hypothetische Nervensäge allerdings nicht. Der Nebenjob an der Garderobe zweier angesagter Tanzhäuser des Hamburger Nachtlebens sorgt nicht, wie ursprünglich erwartet, dafür, dass ich der coole Szenetyp wurde, mit dem jeder befreundet sein will. Mit einem Euro begleichen die meisten Leute sogar ganz gerne die von mir aufgestellte Milchmädchenrechnung. Schlimmer noch: manche schmeißen ihre Garderobe sogar lieber direkt neben die klebrige Tanzfläche, um mir gar nicht erst begegnen zu müssen. So kam es also, dass ich, während all die hippen Kinder im Erdgeschoss feiern und brüllen und die beste Zeit ihres sowieso schon großartigen Lebens haben, mir im ersten Stock die Eier schaukel. Wer nun denkt, nach Feierabend ergäben sich zumindest noch Gelegenheiten, mit der – im Gegensatz zum Garderobenpersonal – gesellschaftlich wesentlich etablierteren Tresenbelegschaft die Tassen zu heben, irrt. Dank eines zotteligen Meerschweinchens, das bereits seit mehreren Wochen in meiner Wohnung die überzeugende Performance eines kurzbeinigen Hundes vollführt, bin ich auch nach Feierabend gezwungen, fluchtartig das Lokal und jene Kollegen, die einen Aufstieg in die Wochenendelite der Hansestadt bedeuten könnten, zu verlassen. Nach acht Stunden Einsamkeit verlangt das Tier, mit mir um die Häuser zu ziehen, irgendwo hinzuschiffen und die Schiffe derer, die ihm zuvorkamen, zu verköstigen oder sich darin zu suhlen. Bei einem dieser Ausflüge hat er sich irgendwas eingefangen, zumindest entdeckte ich seltsame Pusteln an seinen Hündchenkeulen. Tripper, Syphillis oder irgendwas anderes Rockstarmäßiges schlussfolgerte ich zunächst – bis ich mich sowohl an die Jungfräulichkeit als auch an die fehlende Geschlechtsreife meines Welpen erinnere. Underdog, der er ist, flirtet er nun mit seiner ersten Akne, während die coole Dogge aus dem Nachbarhaus sich wahrscheinlich gerade die fluffige Pudeldame klarmacht. Life is a dancefloor, hat mal irgendein DJ geneunmalklugt. Recht hat er, aber dazu gehören eben auch die pickligen Schwächlinge, die bloß am Rand stehen und zuschauen, wie andere rumschieben. Das sind übrigens auch dieselben, die dann ihre Garderobenmarke verlieren und im T-Shirt nach Hause gehen.
Da mich all meine wirren Tätigkeiten seit längerem nur noch erahnen lassen, was das Wort Biorhythmus bedeutet, bin ich selbst auch recht überrascht mich an einem Montagmorgen um acht Uhr ausgeschlafen in einem Linienbus wiederzufinden. Der Hund hat nach wie vor seine seltsame Hautflechte und ich komme nicht umhin, langsam recht angeekelt zu sein. Am Ende dieser halbstündigen Busfahrt wartet also eine Tierklinik, bei der sich der Hund Linderung seines Juckreizes und ich mir Linderung meines Ekels erhoffe. Die Tierärztin, die ich aufgrund ihres Haarschnitts (halblange, in der Mitte gescheitelte dunkle Haare mit rötlichen Highlights, die kurzen Haare im Nacken keck toupiert) sofort als Lesbe identifiziere, ist freundlich und inkompetent. Zumindest betreibt sie heiteres Krankheitsbilderraten, während ich in dem fehlenden Büstenhalter die Lesbenthese bestätigt sehe. Sie untersucht seine Lenden, verschreibt irgendeine Salbe und diagnostiziert „Pickelchen“. Toll, Sackakne, denke ich und frage mich, wie ich das möglichst imageschonend all den Menschen verklickern soll, die meinen Hund bis vor einigen Tagen noch zuckersüß fanden. Die soeben aufgetragene Salbe leckt er sich bereits auf der Rückfahrt wieder ab, um mir dann kurz vor unserer Haustür auf die Schuhe zu kotzen. Eine vorbeigehende junge Schanzenmutter (mit der einen Hand manövriert sie den Kinderwagen, dessen Inhalt vermutlich so einen wohlklingenden Namen wie Margarethe-Buttercup oder Jimmy Baptist trägt; in der anderen trägt sie einen Grande Chai Latte Low Fat Milk) lächelte mir verständnisvoll zu, als seien wir Komplizen. Vielleicht hat sie recht, denk ich mir. Auch ihr Jimmy Baptist wird mal eine astreine Akne sein Eigen nennen dürfen. Wenn er sich auch so postmodern verhält, wie es sein Name vermuten lässt, vielleicht sogar so eine ordentliche Sackakne wie mein Hund. Ich lächle also zurück und zerre den Hund nach drinnen. Dort überlasse ich ihn und seine Akne ihrem Schicksal. Das Schicksal heißt Flauschi und ist die blaue Decke, an der er sich nun reibt wie ein Spätzünder an seiner ersten Freundin. Er hat der Decke diesen blöden Namen gegeben, mir würde sowas gar nicht einfallen. Und jetzt? Wo bleibt die Pointe? Sag ich ja. Gibt keine. Schon bei dem Gedanken an Kirche fühlen sich die meisten Leute an krude Heiligabende erinnert, in denen fingerkuppengroße Popel noch die interessantesten Protagonisten einer stundenlangen Litanei formten. Ja, Kirche blöd zu finden ist so leicht. Kommt der Papst, backen wir Protestplätzchen. Und dass der Vatikan die letzte absolutistische Monarchie Europas ist, ist ein Fakt, den man bei jeder WG-Küchen-Diskussion unter Kopfschütteln aller Beteiligten loswerden kann. Missbrauchsskandale, Sexualmoral – das Christentum, vor allem die katholische Kirche, ist das Feindbild aufgeklärter Großstädter.
Es ist Sonntagmorgen, ungefähr neun Uhr, als ich über den Vorplatz der Petrikirche laufe, noch die Musik aus dem Klub im Ohr. Ich finde Kirche auch blöd, glaube ich. Eigentlich war ich noch gar nicht so oft da. Aber Kirche findet mich blöd, das liegt auf der Hand. Und wer mich blöd findet, den find ich blöd und die hat schließlich angefangen. Amen. Weil ich komplett übernächtigt bin und kleine Endorphine durch meine Blutbahnen marschieren wie unermüdliche nordkoreanische Arbeiter, kommt mir plözlich die Idee, so ein Gottesdienst sei bestimmt ein witziges Aftershow-Happening. Ich gehe noch kurz nach Hause, um mich umzuziehen, will schließlich nicht underdressed dort auftauchen. Keine Stunde später sitze ich auf einer Holzbank in der Petrikirche, vor mir ein Gesangbuch, hinter mir eine Gruppe Konfirmanden. Der Organist beginnt zu spielen, die Mucke hallt durch die Kirche. Halleluja! Die Bänke sind voll besetzt – war zu erwarten, Eintritt frei, Open Bar. Zugegeben, bisher kannte ich Kirche fast nur aus Erzählungen. Kein Wunder also, dass ich leicht überfordert war mit der traditionellen Choreographie: beim Gebet sitzen, beim Singen stehen, bei der Predigt wieder sitzen, wenn einer Amen sagt, auch Amen sagen. Ist für einen Sonntagmorgen vielleicht auch etwas viel verlangt. Der Pastor redet von Dämonen und Exorzismus. Dass es sein allwöchentliches exorizistisches Ritual ist, sieben Kilometer um die Alster zu joggen. Offensichtlich hat er dabei Bob Dylan auf seinem MP3-Player, denn der wird während der Predigt häufiger zitiert. Richtig Stimmung kommt allerdings nicht auf: die Sängerqualitäten des Pastors lassen stark zu wünschen übrig und die Weißgelockte neben mir knackt fast weg, ich ringe auch mit meiner Müdigkeit. Als ich gerade denke „Naja, man soll gehen, wenn's am Besten...“ weckt mich der Pastor unsanft: „Auch hier im Raum sind Dämonen!“ Ok. Er hat mich. Schweißperlen auf meiner ungetauften Stirn. Gleich werden sie sich alle umdrehen, mit den Fingern auf mich zeigen, im Chor „Ungläubiger!“ schreien und mich dann über die Mönckebergstraße jagen. Auch die Oma neben mir ist wieder hellwach. Angespannte Stille. „Gier, Macht und Krieg. Das sind die Dämonen unserer Zeit.“, konkludiert der Pastor. In den Gesichtern der Gemeindemitglieder lässt sich die Tragödie förmlich lesen. Ich schaue mich um, kann die Dämonen nirgends ausmachen und bin froh, vorerst nicht in seiner Aufzählung vorgekommen zu sein. Charmant leitet er über zum Abendmahl, (bei Heiden heißt das 'Frühschoppen') die durstige Gemeinde versammelt sich vor dem Weinkelch. Schon etwas frech, den Ausschank so lange hinauszuzögern. Zu allem Uebel verlässt der Gastgeber direkt danach die Party. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Die Mitglieder der Kirchegemeinde, einige etwas beschwipst, kamen grad erst richtig auf Touren. Jetzt sehe ich den Gierdämon auch. Der Kelch ist leer und macht auch keine Anstalten sich nochmal nachfüllen zu lassen. Ich gehe raus, hab jetzt auch genug. Der Organist spielt noch einen letzten Song und dann wird’s still. Von der Nordsee, der Mordsee, vom Festland geschieden,
Liegen die friesischen Inseln im Frieden. Und Zeugen weltenvernichtender Wut, Taucht Hallig auf Hallig aus fliehender Flut. Die Möwe zankt schon auf wachsenden Watten, Der Seehund sonnt sich auf sandigen Platten. Trutz, Blanke Hans. [aus: Detlev von Liliencron Ausgewählte Werke, S. 209. Hamburg: Holsten-Verlag, 1883] Heute
Das Zimmer ist karg möbliert. In der einen Ecke eine Matratze, mit dem Kopfende zur Heizung. Hier liege ich und atme Staub. Es ist Herbst. Auf dem Dielenboden daneben, meine Kaffeetasse. Ich nehme den letzten Schluck, dünn und bitter. Einen Schreibtisch habe ich vor zwei Wochen aus den zur Nutzlosigkeit verdammten Restbeständen meines Jugendzimmers gerettet. Seit einer Woche steht er unter dem einzigen Fenster des Raumes. Trotzdem sieht er traurig aus. Unter ihm kauert mein Hündchen, die kurzen Hinterbeine wie Schwimmflossen von sich gestreckt, und piselt. „Nein“, krächze ich, richte mich auf und begrüße meinen Kater. Mein Atem riecht nach Wodka. „Nein, nein, böser Hund.“ Er schaut in die andere Richtung und piselt weiter. So richtig kaufe ich mir das ja auch nicht ab. Ich stehe auf, nehme die Kaffeetasse in die rechte Hand, fülle sie zu einem Drittel mit löslichem Kaffee. Ich habe nur diese eine Tasse. Am Boden hat sich bereits eine trockene, braune Kruste gebildet. Während auf dem Herd das Wasser kocht, wische ich mit einem alten Lappen die Pfütze unter dem Schreibtisch weg. Zu keinem höheren Gedanken in der Lage, überlege ich, warum fast alle geläufigen Wörter für „Wasser lassen“ mit P beginnen. PISELN. PULLERN. PINKELN. PISSEN. Dieser Gedanke piselt mir förmlich in meine Hirnwindungen. P ist sowieso ein echt blöder Buchstabe. PROSTATA, fällt mir noch ein und ich muss etwas lachen. Mein Hündchen wedelt mit dem Schwanz und tanzt um mich herum. „Böse, böse“, fluche ich leise und meine damit eigentlich die Uhr, die dreiviertel zwei anzeigt. Gestern Mein Hündchen wedelt mit dem Schwanz, als ich ihn um kurz vor Mitternacht verlasse. Es ist erst zehn Wochen alt und kann sich nicht vorstellen, dass es die nächsten Stunden ohne mich wird überstehen müssen. Eigentlich kann es sich nicht mal vorstellen, dass es die dreißig Sekunden, die ich auf Toilette verbringe, ohne mich verbringen muss. Aus Verlustangst oder aus Loyalität piselt es vor die Badezimmertür und ringt mir so noch fünf Minuten meiner Gesellschaft ab. Ich trage ein weißes Hemd mit schwarzer Krawatte (trés chic!) und wische Hundepisse auf (trashig.). Hündchen schaut mir dabei zu, ich schimpfe nicht. Versteht es ja doch nicht. Einen jungen Hund soll man noch nicht lange allein lassen, rät jeder Welpenratgeber. Hündchen hat noch nie einen Welpenratgeber gelesen und weiß davon nichts. Es legt sich in den Schmutzwäschekorb und weint. Keine zwei Minuten später bermerkt es, dass ihm nun niemand mehr verbieten kann, im Bett zu liegen und hört auf zu weinen. PUTSCH, denkt es jagt auf meinem Kopfkissen seinen eigenen Schwanz, wie es Hunden mit unerfülltem Spieltrieb gefällt. Für Menschen mit unerfülltem Spieltrieb hat man Kreisverkehre erfunden, davon weiß Hündchen jedoch nichts. Die alte Frau Drewes aus der Wohnung unten drunter hatte mal einen Hund, der hieß Flocki. Flocki sah ungefähr so aus wie das Hündchen und weil es das weiß, bellt es nachts hin und wieder – Frau Drewes wird sich darüber freuen. Auch das Hündchen freut sich, aber weil Frau Drewes nicht zurückbellt, verliert es nach einiger Zeit die Lust an seiner freundlichen Geste. Es vergehen Stunden, in denen das Hündchen schläft, hie und da piselt, sich ausführlich Pfoten und Weichteile leckt, sämtlicher Schmutz vom Boden den Weg in seinen Verdauungstrakt gefunden hat. POPEL, denkt es und schluckt, als sich schließlich ein Geräusch an der Wohnungstür ausmachen lässt. Große Freude, das Hündchen springt durch den Raum, traut sich noch nicht zu bellen – es könnte die alte Frau Drewes sein und die wollte es nach ihrer nächtlichen Schweigsamkeit erstmal etwas zappeln lassen, bevor es ihr mit Freudenküssen verzeiht – aber naja, es freut sich halt so, sieht die leere Kaffeetasse neben dem Bett, piselt vor Freude rein. Es will nun, beinahe von seiner Einsamkeit erlöst, schließlich nicht so gemein sein und nochmal den nackten Dielenboden beschmutzen. Außerdem weiß es schon selbst kaum noch, wohin es treten soll. PFUeTZE. PFUeTZE. Ueberall. Egal, ich betrete den Raum, schimpfe doch nicht, bin ja auch viel zu betrunken. Hündchen springt und hüpft, PURZELBAUM, quiekt, hat selbst schon nicht mehr geglaubt, dass ich zurückkomme. Hat schon verzweifelt probiert, seine Urinstinkte zu reaktivieren, als wilder Wolf in der Großstadt zu überleben, musste selbst ein bisschen lachen. Dafür erstmal das lächerliche rote Halstuch zerbeißen, mit der Glaubwürdigkeit fängt's nämlich an. Ich trage das Hündchen auf dem Arm die Treppen runter und gehe nochmal mit ihm vor die Tür. Natürlich piselt es. Es piselt und freut sich, als ich es ausschweifend lobe. „Fein! Fein!“, hauche ich ihm zu und mein Atem erzählt Kneipengeschichten. Punkt sieben Uhr, zurück in der Wohnung. Ich lege mich komplett bekleidet auf die Matratze, stelle die Kaffeetasse etwas zur Seite. Warme PLOeRRE, flüstere ich, als das Hündchen schon schläft. Iip weeter | Auf dem Wasser
wait uurs en win. | weht ein anderer Wind. Stel lait deät Lun | Still liegt die Insel uun siin iaarem. | in seinen Armen. Deät djef fel oarten, | Es gibt viele Arten, de swoorkraf tu beluurn. | der Schwerkraft ein Schnippchen zu schlagen. [aus: Reimer Eilers Schleswig-Holstein im Gedicht. Husum: 1995.] mitten in der Nacht fuhren wir in seinem Auto die kleine Kopfsteinpflasterstraße entlang. Baujar 05 der Wagen, Baujahr 85 er. Im Radio sang eine traurige Frauenstimme von kleinen Enttäuschungen und großen Gefühlen, bei jeder Unebenheit hielt sie andächtig inne. Liebes Tagebuch, manchmal schaue ich in meinem Leben zurück und bin verwundert, wo es mich hinverschlagen hat. Dann schaue ich wieder nach vorne und lache ein bisschen. Inzwischen standen wir in seiner Wohnung, die mir beinahe weh tat in ihrer Farblosigkeit. „Mach dir ein buntes Leben“, hatte eine Freundin vor Jahren mal zu mir gesagt. Seitdem trage ich ständig dieses rote Halstuch und finde das ausreichend. Kurz überlegte ich, was hier zurückbliebe, wenn man mich samt Halstuch aus dem Bild radieren würde. Er lag bereits im Bett und hatte mir den Rücken zugewandt. Ik bewonderde zijn moedervlekkerij. Jedes Muttermal berührte ich mit der Fingerspitze, ich zog Linien und verband sie zu Bildern. Die Bilder machte ich zu Geschichten. Er reagierte nicht, obwohl ich wusste, dass er wach war. „Manchmal“, dachte ich, „voel ik me zo alleenzaam.“ Zehn Stunden später fanden wir uns in einem portugiesischen Café im Hafenviertel wieder. Einige Möwen schrien und een klein meisje liep op blote voeten over het asfalt. Beim Obsthändler nebenan verkaufte man 'Süße, saftige Clementinen' und der Händler pries sie lauthals an. Es war ein schöner Tag, die Luft hatte die Farbe von Pfirsischmarmelade. Wir redeten wenig und die Komparserie wechselte im Sekundentakt, die Hauptdarsteller aber blieben wir. „Du“, sagte er plötzlich, „das Ganze hat doch keine Zukunft mehr. C'est la vie.“ Ich nickte und bekam Lust auf Clementinen. Liebes Tagebuch, seit heute hat das Ganze wohl keine Zukunft mehr. Je t'embrasse. Die besten Geschichten schreibt nicht das Leben. Die besten Geschichten schreibe ich. Ich gebe ihnen einen Anfang und ein Ende, lasse Informationen weg, die mir nicht gefallen und dichte andere hinzu. Nun sitze ich an meiner Schreibmaschine (die eigentlich ein altersschwacher Laptop ist) und setze den Anfang in ein Café am Sonntagmittag. Großstadtmythen, Kirschbaumblüten, Einkaufstüten. Ich sitze mit zwei Freundinnen draußen an einem Tisch, du bist der Kellner. Schriebe das Leben diese Geschichte, wären wir uns vorher sicherlich schon begegnet. Ein flüchtiges Hallo in der U-Bahn oder gemeinsame Freunde auf Facebook. Und du wärest Gast in dem Café. Einer, der schüchterne Blicke in meine Richtung wirft, aber doch nichts sagt. Dein Blick wäre nicht so böse und dein Lächeln nicht so selbstsicher. Aber das Leben schreibt diese Geschichte nicht. Es ist jedenfalls Sonntag und hier beginnt die Geschichte. Du bringst mir einen Milchkaffee und eine Einladung für ein Bier am Abend. Und du bittest mich, deinen Namen zu ändern, wenn ich diese Geschichte aufschreibe.
Vom ersten Moment an bin ich gefesselt. Es ist inzwischen nachts, wir haben noch 36 Stunden. Keine Zeit für die anfänglichen Zweifel, die das Leben nun an dieser Stelle eingebaut hätte. Wir laufen mit einem Bier in der Hand durch deine Stadt, die nun ein bisschen auch meine ist. Ich mag deine dunkle Stimme, deine vulgären Witze und dein trauriges Gesicht. Du erzählst mir von Kaninchen und ich muss an das dicke Kaninchen von Albrecht Dürer denken. Wie es in seiner aus Bleistiftstrichen gebauten Gemütlichkeit da liegt und wartet. Oder vielleicht war es ein Hase. Und ich denke an den Greis, der in meinem Heimatdorf unser Nachbar war. Fast täglich hat er Kaninchen erlegt, ihnen das Fell vom Leib gezogen und die grotesken Tierkadaver an ihren Hinterbeinen in seiner Laube aufgehängt. Und von da aus schauten sie mich an, ihre morbiden Blicke verfolgten meinen Gang. Ich war fünf oder sechs oder es waren Hasen. Todesschrein, Hasenbein, Mondesschein. Die Nacht verlässt frühzeitig die Bühne und lässt sich vom Morgengrauen entschuldigen. Wir sitzen weiterhin auf einer Bank vor einem Friseursalon und finden keine Gründe uns zu verabschieden. Häuserwand, Alsterstrand, unverspannt. Würde das Leben diese Geschichte schreiben, lägen wir schon längst innig umschlungen und sinnig verklungen in deinem Bett, in deiner Stadt. In dieser Geschichte aber trauen wir uns nicht oder wollen vielleicht auch nicht. In dieser Geschichte ignorieren wir die Sternschnuppen am Himmel, sprechen über Theater und Literatur und wissen, dass ein Kuss nun keins von beidem wäre. Irgendwann stehen wir auf und gehen nach Hause, wir frieren beide ein bisschen, jeder für sich. Und Sternenhimmel finden wir blöd. Das Leben hätte mich nun meine Rückfahrt verschieben und es mich in der Bleistiftzeichnung deiner Wohnung gemütlich machen lassen. Und vielleicht sitze ich auch in dieser Geschichte zwanzig Stunden später auf deinem Bett und wir küssen uns und wir mögen uns und wir reden über Liebe und müssen kurz ein bisschen lachen. Fast beleidigend wirkt dieses Wort. Banal, weil es gedruckt auf T-Shirts und vergewaltigt in hunderten Liedtexten nicht ansatzweise zu beschreiben vermag, was uns verbindet. Du bist meine hundert Prozent, ich bin die Skizze deines Morgens und Uebermorgens. Ich liege neben dir in deinem Bett und wir hätten uns ausgezogen und ich wäre geblieben. Aber das Leben schreibt diese Geschichte nicht. Du hast mich nach Hause gefahren und im Radio lief dieses Lied, das mich schonmal an eine Stadt und einen Mann erinnert hat. Und die Frauenstimme singt genau die Worte, die nun das Leben an dieser Stelle geschrieben hätte und wir lachen ein bisschen. Und trotzdem hast du wieder diesen bösen Blick in deinem traurigen Gesicht. Du ziehst mich zu dir hin und gibst mir einen dieser Küsse, die ganz gewöhnliche Momente, die das Leben eben so schreibt, zu großen Momenten machen, von denen man dreißig Jahre später noch den Nachbarskindern erzählen wird. Und dann steige ich aus und die Geschichte ist zu Ende. Nicht, weil das Leben es so geschrieben hätte, sondern weil ich es so schreibe. Und ich ändere deinen Namen. Und ich lasse Informationen weg, die mir nicht gefallen und dichte andere hinzu. Und ich denke an dich, mein Kaninchen. Oder vielleicht war es ein Hase. |
weltr/eis/e
Alle
zeit~fliegt
Mai 2018
|