Am Mittwoch bin ich zusammen mit Vladymir, einem in Japan lebenden, aber aus den Philippinen stammenden US-Amerikaner, seiner japanischen Freundin Ai (Spitzname: Ai-chan) und deren unglaublich zauberhafter Tochter Su-chan in ein Schwimmbad in der Nähe des Bahnhofs Tamatsukuri in Osaka gegangen. Dort trafen wir zufällig Javi, einen puertoricanischen Freund von Vladymir, und dessen japanischen Freund. Das Schwimmbad war zwar an sich ziemlich witzig (und wesentlich erfrischender als die kochend heißen Sentōs), allerdings war so ziemlich alles verboten, was Spaß macht: man durfte kein Bier trinken, nicht rauchen, nicht tauchen, und wegen der maximalen Wassertiefe von einem Meter auch nicht vom Beckenrand springen. Auch Sonnencreme durfte man nur in einem bestimmten Bereich auftragen, wenn ich das Gemotze des Bademeisters richtig interpretiert habe. Man durfte also eigentlich nur im Wasser planschen. Lustig fand ich allerdings, dass alle viertel Stunde alle Badegäste aus dem Becken steigen mussten, weil das Wasser dann komplett gereinigt wurde.
Mit Vladymir verbrachte ich schließlich meine gesamte restliche Zeit in Osaka. Ich mochte ihn, weil er so happy, shiny, all american dreamy ist. Mich fand er andersrum so outside the box europäisch und old-fashioned tiefsinnig. Das trifft es zwar natürlich nur oberflächlich, aber als gaijin (= Einwohner westlicher Länder oder im engeren Sinne Menschen mit weißer Haut) in Japan bleiben solche bekloppten Stereotype eben irgendwie nicht aus. Man ist sich hier eben ständig seiner Andersartigkeit bewusst und zwangsläufig ist genau das dann auch ständig Gesprächsthema. Ich fuhr jedenfalls noch einmal mit Vladymir und Ai-chan zu dem Partystrand nach Suma, wo ich von den Japanern dafür bewundert wurde, dass ich von einem kleinen Kai einen Kopfsprung ins Wasser machen konnte. (Ich überredete einige von ihnen, es mir nachzutun und so gab es an diesem Tag noch einige vom Aufprall schmerzende Bäuche und Gesichter). Außerdem lernten wir dort Haruna kennen, die eine Weile in Kanada gelebt hatte und uns ihre Lautsprecher auslieh um unsere eigene Strandparty mit der Musik von meinem Handy zu veranstalten (Lili Marleen von Lale Andersen kam überraschend gut an). Vladymir und ich besichtigten am Tag darauf zu zweit den Hyogo Daibutsu in Kobe (ein weiterer großer Buddha) und zusammen mit Ai-chan den eindrucksvollen Hafen von Kobe. Wir aßen fritierte Austern und Garnelen, die man dort zu Spottpreisen bestellen konnte und hingen rund um die Uhr miteinander rum. Es war wirklich schön und vor allem so herrlich unkompliziert. Ich fand es vielleicht einfach angenehm, mal wieder eine Sprache zu sprechen, in der ich mich halbwegs eloquent verständigen kann. Ich weiß außerdem gar nicht, ob Vladymir unter anderen Umständen mein Typ gewesen wäre, denn er ist bloß einen Meter kylieminogue groß und wir sehen nebeneinander unglaublich bescheuert aus. Aber er hat Urlaub (er arbeitet eigentlich als Englischlehrer in einer Vorschule in Kobe) und ich habe Urlaub und wir hatten beide Lust auf eine Urlaubsromanze. Das Tolle an Urlaubsromanzen ist ja, dass man quasi 60 Jahre Ehe in vier Tagen durchspielen kann und ungefähr das haben Vladymir und ich auch gemacht. Am Freitag habe ich, nachdem ich seine Freunde ja bereits kennengelernt hatte, ihn mit zu Yukos Geburtstagsparty im River & Castle side space mitgenommen. Lilith, die ich zu Vladymirs Gunsten die letzten Tage total vernachlässigt habe, trug bereits einen aufwendig gebundenen Yukata, den Yuko ihr geliehen hatte. Vladymir und ich hatten in Shinsekai, einem alten Stadtviertel von Osaka nördlich des Bahnhofs Tennō-ji, einen Kuchen und Geburtstagskerzen gekauft und noch schnell auf deutsch „Zum Geburtstag viel Glück!“ eingeübt. In Shinsekai hatten Vladymir und ich auch unser erstes romantisches Obdachlosen-candle-light-dinner: mit 2 onigiri (= Reisbällchen mit Füllung), zwei Bier und einer kleiner Geburtstagskerze unter dem Tsutenkaku Tower während es in Strömen regnete. Wir tranken Bier („biru mitsu o-kudasai!“), unterhielten uns mit Yukos Freunden so gut es eben ging und schossen so viele Selfies und Gruppenfotos, dass ich nun nach Lady Di die meistfotografierte Person der Welt bin oder so. Wir waren jedenfalls ziemlich cute und gutgelaunt. Zu dritt zogen Lilith, Vladymir und ich weiter nach Umeda, aßen in einer japanischen Fastfoodkette, deren Namen ich zurecht vergessen habe und sangen schließlich wieder im L'ecca Karaoke. Von da an ging irgendwie alles schief. Kurz zusammengefasst war es so: Vladymir baute Scheiße, ich war beleidigt und die Urlaubsromanze war wieder vorbei. Ich schwieg, er heulte, obwohl natürlich alles total locker und luftig sein sollte. Aber Urlaubsromanzen sind in sich komplett irrational angelegt. Man kommt zusammen, um wieder auseinander zu gehen. Und auseinander bedeutet in diesem Fall, dass Lilith und ich am Sonntagnachmittag mit dem Zug nach Kyoto gefahren sind. Was wir gelernt haben: Weißer Traubensaft mit Aloe Vera Stückchen ist die beste Wahl an japanischen Getränkeautomaten. Alles, was wie Eistee aussieht, könnte auch kalter Kaffee sein. Was wir hätten brauchen können: Wechselwäsche. Man kann ja vorher nicht ahnen, dass man drei Tage lang mit Nonstop-Verknalltsein beschäftigt sein wird. Wen ich grüße: Tiago, meine Lissabonner Urlaubsromanze von 2007. Song des Tages: Somewhere only we know von Keane (habe ich dank der Karaokemaschine wiederentdeckt und fast geheult)
0 Kommentare
Lilith spielt im Yukata ein Ukulelenkonzert für Yuko, unsere Gastgeberin in Osaka Den versprochenen Taifun haben Lilith und ich überlebt, besser noch: verschlafen. Die ganze Nacht von Sonnabend auf Sonntag waren alle Menschen in Osaka in ängstlicher Erwartung auf den Taifun, der dann im Endeffekt erst am Sonntagmorgen in Osaka ankamen. Lilith und ich haben die Nacht unterdessen mit den Jungs aus der Miki-Bar durchgemacht, zusätzlich zu Joshi, Tomo und Toshio war diesmal auch Keiko, eine Japanerin mit einer ausgeprägten Affinität für kawaiie (= niedliche) Frösche und Koji dabei, der den Spitznamen The Beast trug. Wir sollten später erahnen können, warum. Nachdem wir in der Miki-Bar wieder ausgiebig gegessen und getrunken haben und mal wieder nicht bezahlen durften, beschlossen wir trotz Taifunwarnung nach Umeda zu fahren und dort feiern zu gehen. „Tanzen, trinken, rauchen“ - ungefähr so hatte ich umschrieben, was ich mir von der Nacht erwartete. Die Gruppe Japaner brachte uns daraufhin in den Gold Platinum Club Osaka, einer high class Diskothek mit gesalzenen Preisen, die sich in dem obersten Geschoss einer Shopping-Mall befand. Es wurde beinahe ausschließlich US-amerikanische Popmusik gespielt und auch die Diskothek selbst war das wahr gewordene Klischee eines exquisiten Klubs in irgendeiner westlichen Großstadt. Es war mehr als seltsam, zumal unsere japanischen Bekannten sich bis zu diesem Zeitpunkt geweigert hatten und auch im restlichen Verlauf des Abends weigern würden, uns auch nur mit einem Yen an den exorbitanten Kosten zu beteiligen. Ich, der deutsche Buddelpartys und geteilte Rechnungen gewöhnt ist, bekam ein schlechtes Gewissen. Am bizarrsten war es allerdings, dass der Gold Platinum Club außer uns von gerade mal 5 weiteren Personen besucht wurde und nochmal ebenso viele Kellner durch den schwarzen Klub schlichen. Irgendwie schafften wir es dann aber doch, Spaß zu haben, hauptsächlich auch, weil The Beast auf der Tanzfläche eine beeindruckende Breakdance-Performance aufführte. We just went wild, so gut es eben ging zumindest. Schließlich schloss der Klub und wir zogen weiter in die minimikrokleine Schwulenbar L'ecca, die unsere japanischen Bekannten für uns ausfindig machten, nachdem ich ihnen erzählt hatte, dass ich schwul sei. Ich bin mir auch nicht so ganz sicher, ob das positiv oder negativ aufgenommen wurde, die Stimmung schwankte zwischen belustigt und überrascht. Das L'ecca kam dann einer Berliner Partynacht am nächsten, wenn auch nicht unbedingt wegen westlicher Einrichtung oder Musik. Es gab eine Karaoke-Maschine, von der Lilith gekonnt gebraucht machte und großen Applaus erntete und auch ich sang mit einem älteren Japaner My heart will go on von Celine Dion. Man kann sich wohl ungefähr vorstellen, wie bezaubernd das war. Dass wir zu komplett allen Getränken, Taxifahrten und Eintritten eingeladen wurden, änderte sich übrigens nicht. Nur im Gold Platinum Club schafften wir es zwischendurch mal eine Runde Sake zu bestellen, die aber als mit Wasser verdünnter Whiskey missverstanden wurde. In den darauffolgenden Tagen machten Lilith und ich unsere ersten Tagesausflüge. Inzwischen bewegen wir uns schon etwas sicherer durch Japan, die gängigsten Floskeln haben wir schon drauf (Wakarimasen = Das verstehe ich nicht. Doitsu-jin desu = Ich komme aus Deutschland. Sugoi! = Großartig! Kampai! = Zum Wohl!) und auch der in Japan herrschende Linksverkehr findet von Tag zu Tag mehr Verständnis in meinen Gehirnsynapsen. Das ständige Schuhe an- und ausziehen ist eigentlich nur mit Flip-Flops oder Ballerinas zu meistern, Schnürschuhe treiben einen da wirklich zur Weißglut. Und auch von den vielen Verbeugungen werde ich sicherlich nach 5 Wochen einen Rückenschaden davon tragen. Viele japanische Gewohnheiten gefallen mir aber auch außerordentlich gut. Zum Beispiel die Höflichkeit, das ständige Aufeinander-Rücksichtnehmen. Das liegt mir nun zwar eigentlich eher nicht so im Blut, aber es hat doch sehr etwas für sich, dass alle immer so unheimlich nett zueinander sind. Ich werde mir Mühe geben, mir das etwas für Berlin zu merken. Ich hatte die Nacht davor im Frenzy Frenz durchgemacht, einer Schwulenbar in Umeda, die von einem sehr freundlichen Exil-Australier betrieben wird und von Ausländern und ausländerfreundlichen Japanern besucht wird. Das Frenzy Frenz war insofern ein guter Anlaufpunkt, als dass es dort schnelles W-LAN gibt. Außerdem liegen an der Theke Aufladekabel für alle möglichen Handys herum. So unkompliziert gibt es das sonst nur in und vor den Combinis (convenient store = Späti) der Stadt. Am Tag darauf ging unser erster Tagesausflug ging bei sengender Hitze nach Nara. Trotz meines Katers war es dort sehr schön, auch wenn ich mir die alte Kaiserstadt irgendwie kleiner und pittoresker vorgestellt hatte. Trotzdem: die vielen Tempel, Pagoden und vor allem der unglaublich große Daibutsu (= Buddhastatue) im Tōdai-ji-Tempel haben uns nicht enttäuscht. Unerwartete Highlights in Nara waren der unglaublich schöne Isui-en-Garten mit seinem traditionellen Teehaus und das Café Shalom, das von einer ganz bezaubernden älteren Japanerin mit ausgeprägtem England-Fimmel betrieben wird. Die Inneneinrichtung ist etwa im Stil englischer Landhäuser, die Speisekarte ist japanisierte italienische Küche und die Preise sind im Vergleich zu den Touristenrestaurants von Nara unschlagbar günstig. Wie genau das hebräische Wort Shalom zum Namensgeber wurde, konnten wir allerdings nicht herausfinden. Den Dienstag haben Lilith und ich in Kobe verbracht und uns zuerst mal ordentlich gefetzt, um uns dann aber auch direkt wieder zu vertragen. Dass das passiert, war zwar zu erwarten, wenn man rund um die Uhr aufeinander hockt, aber schließlich haben wir doch innerhalb einer halben Stunde alle Meinungsverschiedenheiten aus der Welt geräumt. Der Streit fand in den verwinkelten Straßen von Kitano statt, wo unter anderem ein Dänemarkhaus, ein Österreichhaus und ein Hollandhaus rumstehen, ein Deutschlandhaus konnten wir allerdings nicht finden. Das Viertel ist so eine Art Eurotown und auch in den Souvenirläden wird europäisch anmutender Kitsch verkauft. Als Europäer ist das auf der einen Seite zwar irgendwie unspannend („Oh schau, ein Backsteinhaus mit einem Wetterhahn auf dem Dach!“), auf der anderen Seite ist es schon witzig zu sehen, woraus japanische Europaklischees dann im Detail bestehen. Die Einrichtung im Hollandhaus zum Beispiel war vom Stil her eher dem 17. Jahrhundert entlehnt und auch das ausladende Spitzenbrautkleid auf dem Bett oder die bis zum Rand mit europäischen Geldscheinen gefüllte Schatzkiste habe ich so noch in keinem modernen holländischen Haushalt gesehen. Von Kitano aus sind wir nach Osten gelaufen in Richtung eines großen Geländes, an dem mehrere Sake-Brauereien stehen. Unser eigentlicher Beweggrund war, dass im Lonely Planet stand, dass der Eintritt zu dem Sake-Museum, das sich ebenfalls irgendwo dort befinden soll, umsonst ist und dass man bei Bedarf auch noch Sake verköstigen darf. Mit der Hilfe von einigen Wachleuten, die auf dem Gelände rumstanden, als hätte man sie nur für uns dahin gestellt, fanden wir den Weg dann auch und mussten uns ein 10-minütiges Video über die Herstellung von Sake reinziehen, bevor wir endlich an die Free Shots kamen. Gegen frühen Abend sind wir zu Kobes Partystrand nach Suma gefahren, wo japanische Jugendliche gerade ihre Sommerferien mit Bier begossen. Man kann sich das Ganze vorstellen als eine Mischung aus US-amerikanischem Summer Break, Ibiza und Full Moon Party in Thailand vorstellen. Ziemlich schnell wurden wir von Neil, einem älteren Australier, entdeckt und an einen Tisch in einer Strandbar eingeladen, in der neben zwei japanischen Mädchen und Mamad, einem Iraner, auch eine Handvoll japanische Feuerwehrmänner saßen, die genauso gut auch Schauspieler bei Baywatch hätten sein können. Obwohl es eigentlich unser Plan war, zeitig nach Osaka zurückzufahren, haben wir uns auf ein Asahi nach dem anderen einladen lassen und sind schließlich, als sich der Strand leerte, mit Shoichi und Ryunosuke nach Sannomiya (sozusagen Downtown Osaka) weitergezogen. Dort wiederholte sich gewissermaßen der vorherige Abend. Trotz Sprachbarriere saßen wir stundenlang miteinander in einem Separée in dem hinteren Teil eines japanischen Restaurants herum, die beiden Jungs bestellten massenhaft geiles Essen, wovon mir besonders die Bergkartoffeln wegen ihrer komischen Konsistenz und die Leberspieße in Erinnerung geblieben sind. Dass ich kein gorufurendu (= girlfriend) habe und auch generell boifurendus besser finde, sorgte auch an dem Abend für ziemlich merkwürdige Reaktionen: sie fragten einfach so häufig, ob ich ernsthaft schwul sei, bis sie beschlossen, es zu ignorieren. Am Ende kratzten die beiden Jungs, die selbst nicht älter waren als wir, ihre letzten Kröten zusammen und ließen uns partout nichts zu der Rechnung beisteuern. „Japanese style!“ war ihr magischer Imperativ, mit dem sie jeden Yen von uns ausschlugen, und was genau German style sei, wollte sowieso auch keiner wissen. Ryunosuke ging dann plötzlich ohne sich zu verabschieden, was etwas seltsam war und auch so gar nicht der feine englische style. Sho wiederum ließen wir betrunken wie tausend Russen am Bahnhof Sannomiya zurück, weil wir unseren letzten Zug nach Osaka bekommen mussten. Was wir gelernt haben: Karaoke singt man entweder mit Inbrunst oder gar nicht Was wir hätten brauchen können: Entweder mehr Durchsetzungskraft beim Bezahlen der Rechnungen oder mehr Gelassenheit beim Eingeladenwerden Wen ich grüße: Meine beiden Großmütter. Weil in Japan gerade Obon ist, das Laternenfest, zu dem alle Japaner in ihre Heimatdörfer fahren (was ich gerade nicht tun kann) und ihren Vorfahren gedenken. Das tue ich hiermit. Song des Tages: Dancing Queen von ABBA (war der absolute Renner in der Karaoke-Gaybar) Der Partystrand von Suma in Kobe
Für die, die es wirklich interessiert: es regnet in Strömen in Osaka. Am Wochenende soll es sogar einen Taifun geben, zumindest sagen das die drei Japaner, die wir gestern in einer Bar kennengelernt haben.
Lilith und mir ist das Wetter aber gerade noch ziemlich jacke, denn wir sind noch ausreichend damit beschäftigt hier alles verdammt großartig zu finden. Vor inzwischen 36 Stunden sind wir in Hamburg in unseren Emirates Flieger gestiegen und ich habe mir, um ehrlich zu sein, etwas Sorgen gemacht. Mir ist auf der einen Seite mulmig, wegen der traurigen Nachrichten über Flugzeugabstürze, die uns in den letzten Wochen erreicht haben. Zum anderen habe ich mir koscheres Essen gebucht (eigentlich nur, weil gehofft hatte, dass Extrawürste schneller serviert würden und besser schmeckten) und vor 4 Monaten nicht darüber nachgedacht, dass koschere und halale Fresspakete zurzeit auch fast ein politisches Statement sind. Ziemlich cool war allerdings, dass das koschere Essen echt 50 mal versiegelt wurde, nachdem es die segnenden Hände irgendeines Londoner Rabbis verlassen hat und erst unter meinen fake-koscheren Augen wieder von den netten Stewardessen wieder geöffnet wurde. Nach knapp 7 Stunden Flug (und unter Umfliegung der Lufträume der Ukraine und des Irak) kamen wir in Dubai an und ich mir dort für 40 Arabische Dirham pro Stange Zigaretten (= 16 Euro) einen gesamten Monatsvorrat an Glimmstengeln zugelegt. Unser Flug nach Osaka hatte Verspätung, aus operational reasons, was auch immer das bedeuten mag. Um 18 Uhr japanischer Zeit kamen Lilith und ich dann schließlich leicht zerknüllt und gereizt am Kansai International Airport an. Unsere erste Amtshandlung bestand darin, uns ohne nennenswerte Englischkenntnisse auf der einen und ohne nennenswerte Japanischkenntnisse auf unserer Seite den Weg zu unserer ersten Couchsurferin erklären zu lassen. Das hat nur so ungefähr eine Stunde in Anspruch genommen, was man als Erfolg werten kann. Dann mussten wir das beste (= günstigste) Ticket für Osakas Öffentlichen Nahverkehr ausfindig machen, was dank einer sehr netten japanischen Lady, die ausgezeichnet Englisch sprach, innerhalb weniger Minuten erledigt war. Wir haben uns für die ICOCA-Karte entschieden, die wie eine Prepaidkarte funktioniert und erstmalig ¥ 2000 (= 14,30€) kostete. Man lädt Guthaben darauf, welches jeweils von der Karte abgebucht wird, sobald man sich nach einer Fahrt durch die elektronische Absperrung am U-Bahn-Ausgang bewegt. Vorteil: man muss vorher einfach nicht mehr darüber nachdenken, mit welcher Linie man jetzt wo hinfährt und ob man nicht vielleicht in die Linie eines anderen Anbieters umsteigen möchte. In der U-Bahn fiel mir zuallererst auf, dass mir im Grunde gar nichts auffiel. Die Osakaner waren nicht irgendwie bunt und zuckersüß und hellokittyesk gekleidet, wie ich es vielleicht befürchtet hatte. Eigentlich sahen sie aus wie U-Bahn-Gäste in Berlin eben auch aussehen. Schließlich kamen wir um 21 Uhr bei Yuko an, die eine kleine Bar betreibt, die sich River and Castle side space nennt und einen wunderschönen, wenn auch verregnet Blick auf genau ebendiese Sehenswürdigkeiten bietet: das Osaka Castle, einen Seitenarm des Flusses Yodo und die imposante Wolkenkratzer-Skyline am anderen Ufer. Jetzt ist es offiziell: wir sind in Japan. Das Konzept von Yukos Bar ist denkbar einfach: allabendlich kommen eine Hand voll japanische Freunde von Yuko vorbei, dann noch die westlichen Touristen, die gerade in den Futonbetten im Zimmer nebenan schlafen (= wir) und die lernen sich dann bei Asahi Bier und Sake kennen. Die Preise sind moderat, wie generell bisher eigentlich alles recht bezahlbar war in Osaka. Dass es trotzdem die zweitteuerste Stadt der Welt nach Tokio sein soll, kann ich also gerade irgendwie nicht bestätigen. Die ersten Biere in Japan tranken wir jedenfalls in freundlicher Gesellschaft von unserer Gastgeberin Yuko, einem Yoichi, der erschreckend gut „Schön, dich kennenzulernen!“ auf deutsch sagen konnte, einer jungen Frau namens Saki, die völlig hin und weg von Lilith und ihrer Ukulele war, einer Wakana, die uns Tako-Yaki (mit Tintenfisch und Frühlingszwiebeln gefüllte Teigbällchen, erinnerten mich lustigerweise an die schleswig-holsteinische Förtchen meiner Tante) zubereitete und einem weiteren jungen Mann, der einen langen unaussprechlichen Namen hatte, aber uns irgendwann erlaubte, ihn einfach Yoshi zu nennen. Weil es in dem River and Castle side space keine Dusche gibt, sind Lilith und ich noch um Mitternacht aufgebrochen, um in der Nachbarschaft einen von Yuko beschriebenes Sentō, ein öffentliches Bad, ausfindig zu machen. Für ¥ 440 (= 3,20€) konnten wir dort nicht nur duschen, sondern auch in pipiwarmen Becken rumsitzen und ins Dampfbad gehen. Das Ganze fand nach Geschlechtern getrennt und splitterfasernackt statt, was ich erst etwas seltsam und dann aber ziemlich witzig fand. Bedenken hatte ich auch wegen meiner Tättowierungen, die man in Japan der Yakuza zuschreibt, der japanischen Mafia. An meinen niedlichen Quallen und Libellen störte sich dann aber glücklicherweise niemand. Auf dem Rückweg vom öffentlichen Bad gingen wir noch in ein benachbartes japanisches Bistro, in dem wir uns mangels Lonely Planet und sonstige Sprachführer gezwungenermaßen verhielten wie die lausigsten Touristen. Ich zeigte auf die Karte und bestellte völlig random 5 kleine Fisch-Gerichte (jeweils ¥ 190 = 1,35€), was unseren Nachbartisch ziemlich belustigte. Wir kamen irgendwie ins Gespräch, was insofern ziemlich außergewöhnlich war, weil von den drei Jungs Tomo, Toshi und Joshi nur Toshi wirklich englisch sprechen konnte, weil er mal drei Monate in den USA gelebt hat. Trotzdem brach unser Gespräch erst zwei Stunden und einige Bier später ab, als Lilith und ich vor Müdigkeit wirklich kaum noch aufrecht stehen konnten. Tomo hatte unsere komplette Rechnung beglichen, verwies auf die japanische Gastfreundschaft und wir versprachen unter zigfachem arigatō gozaimasu! (= Vielen Dank!) sie morgen im Miki zu besuchen. Immer wieder musste ich angesichts solch eines warmen Empfangs daran denken, wie ätzend Touristen in Berlin häufig behandelt werden und schämte mich stellvertretend. Was wir gelernt haben: ēgo ga hanase masu ka (= Sprechen Sie Englisch?), wie man Tako-Yaki zubereitet Was wir hätten brauchen können: eine idiotensichere Ausschilderung des öffentlichen Bades Wen ich grüße: Meine Mama, weil ich ihr versprochen habe mich per Blogeintrag bei ihr zu melden, wenn ich gut angekommen bin. Das ist hiermit geschehen. Song des Tages: Spending all my time von Perfume |
weltr/eis/e
Alle
zeit~fliegt
Mai 2018
|