Twitterphänomen Ada Blitzkrieg hat ihre erste Geschichte auf herkömmlichem Papier veröffentlicht – und dabei doch wieder alles anders gemacht. Eine Kurzkritik. An der Supermarktkasse anstehen. Die Katze in der Altbauwohnung begrüßen. Kurz mal in das Fabrikloft einer Werbeagentur stiefeln und einen Werber für seinen beschissenen Slogan umnieten. Dem Freund abends Nudeln kochen. Das sind vierundzwanzig Stunden aus dem Leben von Hanna, der Protagonistin aus Ada Blitzkriegs Kurzroman Die Strenge. Ach, und ein Gewitter gab’s auch.
Surreal ist an Die Strenge nicht nur der lässig beschriebene Mord, der den ebenso unprätentiösen Großstadtalltag von Hanna und ihren Mitmenschen kaum zu tangieren scheint – vielfach surreal ist vor allem die Kunstfigur hinter der Geschichte. Ada Blitzkrieg gehört mit ihrem Account @bangpowwww zum Hochadel der deutschen Twitteria – im Gegensatz zu Sarah Kuttner oder Miriam Pielhau fußt ihre Popularität allerdings nicht auf einer gleichzeitigen Fernsehpräsenz. Auch literarisch beschreitet Ada Blitzkrieg ungepflasterte Pfade: ihr Debütroman Dackelkrieg erschien 2012 ausschließlich als E-Book und ohne Verlag bei Amazon, Die Strenge ist im Jahr 2013 in der Schöner Lesen-Reihe des Berliner SuKuLTuR Verlags erschienen. Außerdem seien hier noch die gut 23.000 Tweets erwähnt, die das Œuvre der Ada Blitzkrieg komplettieren. Dass sich der SuKuLTuR Verlag, der seine gelben Lesehefte über Süßwarenautomaten vertreibt, und Twitter-Königin Ada Blitzkrieg für diesen Text zusammengefunden haben, ist sicher kein Zufall. Beide vereint ein Faible für die Kürze. Wenn Thomas Manns Die Buddenbrooks literarisch einer mehrwöchigen Postkutschfahrt entlang der Ostsee entspräche, wäre ein Schöner Lesen-Heft die U-Bahnfahrt zum Kreuzberger Lieblingsclub und ein Ada-Blitzkrieg-Tweet der Wodkashot, den man sich bei der rotzigen Barkeeperin abholt. Gerade weil sich Popkultur und -literatur zwingend auf die Gegenwart beziehen, können sie im digitalen Zeitalter deshalb vielleicht gar nicht mehr in epischer Breite stattfinden. Wie gegenwärtig kann Literatur schließlich noch sein, wenn man die Zeit mitdenkt, die ein Autor braucht, um 700 Buchseiten zu füllen? Wolfgang Herrndorfs Blogeinträge in Arbeit und Struktur sind ein aktuelles Beispiel für die Verkürzung des Pop, das Ringen um Gegenwärtigkeit. Umgekehrt muss dann auch gelten: Ada ist Pop, weil kurz. Gleichzeitig entspricht es dem popkulturellen Dogma der Echtheit, wenn das Buttermilchmärchen Die Strenge in Fressautomaten neben Schokoriegeln und Erdnüssen selbst zur konsumierbaren Ware wird und durch das Automatenglas für sich selbst wirbt. Nicht zu sehen ist dort übrigens der kurze Klappentext: SO LEICHT WIE DAS LEBEN. Der beschissene Werbeslogan, für den Hanna töten musste.
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Mai 2018
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