Die Jungsantwort: Liebe Hetero-Jungs, Max Goldt hat natürlich Recht. Schwule kommen in allen Formen und Farben. Und guckt man sich die Profilbilder auf einschlägigen Datingportalen für Schwule an, kann ich auch seine These über triste Inneneinrichtungen unterschreiben. Deshalb gilt: Dreck unter den Fingernägeln macht noch keinen Hetero, genausowenig wie man am Deodorant einen Homo erkennt. Trotzdem bin ich auch immer wieder erstaunt, dass meine heterosexuellen Mitmenschen mich für einen von ihnen halten können. Seht ihr etwa nicht die regenbogenfarbene Aureole, die mich umgibt? Ein schwuler Mann aus meinem Freundeskreis hat einmal für eine soziologische Studie Schulkinder in Berlin befragt, woran man Schwule erkenne. Überraschenderweise antwortete ein Junge damals: "Am T-Shirt mit V-Ausschnitt, dem schrägen Pony und der dicken besten Freundin." Hat für verwunderte Blicke unter unseren schräg gescheitelteten Frisuren gesorgt. Das war schließlich eine ziemlich akkurate Beschreibung des schwulen Berliner Mannes der Nullerjahre. So viel zu den Äußerlichkeiten. Weil ich glaube, dass unser Gaydar auf die eh nur zweitrangig anspringt. Achtung, viele schwule Jungs und Männer verbindet nämlich: ihr ähnlicher Lebenslauf. Irgendwo in der deutschen Provinz aufgewachsen wurden sie unweigerlich irgendwann mit der Tatsache konfrontiert, anders zu sein. Nicht dazu zu passen. Schwule Jungen mussten sich früh Gedanken darüber machen, wer sie eigentlich sind – in ihrem Dorf, ihrer Schulklasse, ihrem Fußballverein, ihrer Tanzschule. Also in sämtlichen sozialen Gruppen, in denen vermeintlich alle anderen hetero sind. Wir merkten schnell: Diese Welt ist irgendwie nicht auf uns zugeschnitten. Zudem passierte diese Bewusstwerdung noch mitten in der Pubertät, also in einer Zeit, in der sowieso jeder unsicher und verletzlich ist. Und am Ende dieser Entwicklung steht meistens auch noch das Coming-Out, das eine krasse Konfrontation mit der Umwelt ist, die Heteros in der Form meistens nicht erlebt haben. Schwule haben in dieser Zeit unweigerlich gelernt, sich selbst zu beobachten. Sie haben verschiedene Lebensszenarien gegeneinander abgewogen und sich schließlich bewusst für ihre eigene Rolle in der Gesellschaft entschieden. Deshalb bewundere ich auch schwule Jungs, die sich betont feminin geben. Genau das meine ich mit der Aureole, die uns umgibt: Sie ist vielleicht nicht für alle sichtbar, aber je selbstbewusster man sie trägt, desto heller strahlt sie. Und das, liebe Hetero-Jungs, ist sozialer Protest! Denn hell strahlen ist nicht leicht. Und mit Max Goldt geht das wiederum nun so zusammen: Denn so hell das Leuchten ist, man sieht es nicht so sehr am Menschen selbst. Sondern vor allem im Kontrast zu Menschen, bei denen das anders ist. Im Kontrast zu euch. Ihr Hetero-Jungs habt nie drauf achten müssen, was euch hetero macht. Und diese Achtlosigkeit merkt man euch meistens an. Unser Gaydar ist also eigentlich auch ein Straightdar. Wir erkennen euch, wenn wir euch sehen. An all dem, worüber ihr noch nie nachdenken musstet: an eurer Gestik, eurer Kleidung, an eurem ganzen Habitus. Oder im Zweifelsfall auch einfach daran, dass wir eure triste Wohnungseinrichtung noch nie auf Grindr oder Planetromeo gesehen haben. Herzlichst, eure schwulen Jungs aus jetzt.de, Jungsfrage.
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August 2023
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