aus Berliner Zeitung, Nr. 291, 12.12.2012, S. 28
& Frankfurter Rundschau, Nr. 290, 12.12.2012, S. 38 (Den vollständigen Text von Dirk Pilz kann man hier nachlesen; was der Papst dann wirklich twitterte, findet man hier.) Mein Tagebuch 23., 24. und 25. November 2012 Lenzen (Elbe), Brandenburg Pevestorf, Niedersachsen Lüchow (Wendland), Niedersachsen Kussebode, Niedersachsen Hitzacker (Elbe), Niedersachsen
Bitte alle aussteigen. Dieser Zug endet hier. Ich steige am Alexanderplatz in den RE1 nach Frankfurt (Oder) und habe zwei Bücher dabei. Das Erste hat mein Vater mir geschenkt, es heißt Berlin – New York und ist eine Kolumnensammlung von Alexander Osang. Das Zweite schenkte mir ein guter Freund mit einer ausgeprägten Osteuropaaffinität, trägt den Titel Berlin – Moskau und ist ein Reisebericht von Wolfgang Büscher. Berlin ist die Mitte der Welt, könnte man denken und zumindest im Zug nach Frankfurt (Oder) denkt das sicherlich jeder. Die Braut zwischen den Bräutigamen New York und Moskau. Es ist aber eher so: Berlin ist der Treffpunkt von West und Ost, da spricht die Geschichte für sich selbst. Die Buchtitel Berlin – Kapstadt und Berlin – Murmansk erscheinen mir dann auch gleich etwas weniger auf der Hand liegend.
Osangs Berlin – New York bekam ich unverhofft von meinem Vater aus der westdeutschen Provinz geschickt, aus der ich auch selbst stamme. Osang für seinen Teil ist ein Ossi, den es nach Westen zog. Bei Büscher ist es genau andersrum: er ist ein Wessi, der sich zu Fuß auf den Weg nach Osten macht. Über zwanzig Jahre nach dem Fall der Mauer sind Westen und Osten in meinem Alltag mehr als bloße Himmelsrichtungen und offensichtlich auch der Buchbranche die eine oder andere Publikation wert. Mein Lebenslauf ist durchweg Westen, sinniere ich. Die friesische Heimat: tiefster Westen. Meine Kreuzberger Wohnung: knapp Westen. Studium der Niederlandistik: wide, wild west. An der Freien Universität: mit der U3 raus Richtung Westen. Mein Zug fährt gerade in Berlin-Ostbahnhof ein. Die Millionenstädte Berlin und New York werden bei Osang als konträre Antonyme dargestellt: seine etwa dreiseitigen Erzählungen finden entweder in der einen oder in der anderen Stadt statt. Selten im Flugzeug dazwischen, hin und wieder ganz woanders. Er erläutert dann auch an einer Stelle selbst, dass der Buchtitel etwas irreführend ist. Der Clou an den Texten ist natürlich, dass der in der damaligen DDR geborene und sozialisierte Osang aus der inoffiziellen Hauptstadt der westlichen Welt berichtet. Er reist von Osten aus an und nur aus dieser Richtung, so scheint es, kann die Opposition zu New York funktionieren. New York, sonst oft stilisiert zu einem märchenhaften Über-Ort, Topos für Generationen von Träumen, erhaben von allen Zuordnungen, ist für Osang häufig doch einfach nur Amerika, der Westen oder schlicht Nicht-Berlin. Alexnder Osang ist der John Wayne der letzten Sätze und allein für diese letzten Sätze lohnt es sich, seinen teils wirren Gedankengängen zu folgen. Dass Büscher in Westdeutschland geboren und aufgewachsen ist, erschließt sich aus der Lektüre seines Reiseberichtes kaum. Im Gegenteil: die intensive Auseinandersetzung mit allerlei seltsamen polnischen, weißrussischen und russischen Figuren legt nahe, dass er zumindest einer slawischen Sprache mächtig ist. Seine Erzählung folgt chronologisch den Etappen seiner Reise, die Kapitel markieren die Grenzübergänge. Auch ich überquere gerade eine Landesgrenze, als mein Zug in das brandenburgischer Erkner einfährt. Über dieselbe Route verließ auch Büscher Berlin. Wortgewandt und geistreich beobachtet er Landschaft und Leute, macht die Geschichte zu Geschichten und hinterlässt den Leser einige Male mit dem Gefühl, dass seine Reise durch das osteuropäische Nibylandia so grotesk und sagenhaft wohl kaum wirklich vonstatten gegangen sein kann. Büscher blickt häufig zurück, nach Westen, nach Berlin, viel häufiger aber schaut er nach vorn, nach Osten, wo Moskau die gesamte Erzählung über still leuchtet wie ein schwer zugänglicher Stern. Berlin und Moskau sind in Büschers Erzählung dann auch eher graduelle Antonyme: mit jedem Schritt, den er sich von Berlin entfernt, wird es etwas moskauischer, mit jedem Schritt, den er sich Moskau nähert etwas weniger berlinerisch. Während wir Fürstenwalde erreichen, probiere ich ebenfalls nach vorn, nach Osten zu schauen. Studium an der Viadrina: klar, Osten. Meine Freunde: aus’m Osten, die meisten. Die Sommerurlaube meiner Kindheit: im Osten, kurz nach der Wende. Das Päckchen polnische Zigaretten in meiner Hosentasche: Ostenosten. Osten, das ist so ein Wort, das will man gern von sich wegschieben. Ich bin in einem Landstrich großgeworden, der geographisch zu Ostfriesland gehört, aber wenn mich jemand darauf anspricht, bestehe ich auf „Friesland“, obwohl das namensgebende Friesland weit westlicher, jenseits der niederländischen Grenze liegt. Und für die Niederländer sind wir sowieso alle Ossis. Ich habe mal gelesen, dass es ein keltisches Volk auf den Britischen Inseln gibt, das die Nordsee „Ostsee“ nennt, was ja nur logisch wäre. Die Abgrenzung nach Osten ist wichtig und Hauptsache, man gehört selbst nicht dazu. Westen ist zwar nicht per se gut, aber Osten ist irgendwie marode und rückständig, so viel steht fest. Auf Osten reimt sich „rosten“ und „Pfosten“, auf Westen reimt sich „Cowboy“. So erzählt man sich das. Dabei kann ja nicht alles Westen sein, eigentlich kann gar nichts Westen sein. Auch New York ist Osten, wenn man einen Texaner fragt. Das tut nur eben keiner. Büscher beschreibt das so: „Der Osten ist etwas, das keiner haben will. Das sich jeder von der Jacke schnippt wie Vogeldreck. Die Ostjacke verschenken alle gern, sie wird in östlicher Richtung weitergereicht. Hatte ich in Brandenburg gefragt, wo der Osten anfange, war die Antwort gewesen: drüben in Polen natürlich. Frage ich in Polen, hieß es: Der Osten fängt in Warschau an, na ja, im Grunde gehört Warschau schon dazu. Man versicherte mir, Westpolen und Ostpolen, das könne man nun wirklich nicht vergleichen, das sei doch etwas ganz anderes, ich werde schon sehen, wenn ich erst einmal östlich von Warschau sei. Eine andere Welt – provinzieller, ärmer, dreckiger. Östlich eben. Ostig, wie wir daheim sagen. Zonig. Östlich von Warschau stand die Antwort wiederum außer Zweifel: einfach die Landstraße nach Białystok hoch. Alles, was links von ihr liegt, westlich, ist katholisch, mithin gut polnisch. Was rechts von ihr liegt, ist weißrussisch-orthodox. Wo also beginnt der Osten? [...] Der Osten wurde weiter und weiter gereicht, von Berlin bis Moskau. Bis kurz vorher, um genau zu sein, denn Moskau, so viel sei vorweggenommen, Moskau ist wieder Westen.“ Mein Zug fährt in einen Vorort von Frankfurt ein, der Rosengarten heißt, und das finde ich hübsch. Ich sehe keine Rosen und eigentlich ist es hier genauso ostig wie in jedem Malchow und Wustrow, aber auch der Osten hat seine Zeit, denke ich. Irgendwann wird sich die Welt andersrum drehen, oder vielleicht tut sie das schon. Die ewige Frage nach Osten und Westen ist eine moderne Gralssuche: ein Ergebnis gibt es womöglich gar nicht, interessant ist lediglich, wer da so sucht und von welcher Lösung wir uns am liebsten einlullen lassen wollen. Alexander Osang ist gern bereit, auch mal andersrum zu rotieren: „Neulich hat mir ein Berliner Filmproduzent bei einem Abendessen im Himmel von Manhattan erzählt, ihn habe New York immer gelangweilt. Bis er begriffen habe, dass es hier wie im Osten sei. Er hat es etwas komplizierter ausgedrückt, aber das meinte er wohl. Ich war erst ein paar Stunden in der Stadt und habe es für Filmproduzentengerede gehalten. Ein schnelles Bild zwischen zwei Cocktails. Dresden ist das Köln der Nachkriegsjahre. Prag das Paris der Zukunft. Chicago ist das Moskau der Pokemongeneration. Jeder, der schlau wirken will, auch wenn ihm gerade nichts einfällt, greift zur Analogie. Aber, was soll ich sagen? Der Mann hat nicht unrecht.“ Es ist ein ständiges Zerren, nach Westen und nach Osten, nirgendwo spürt man das mehr als in Berlin. Wenn es einen Ost- und einen Westpol gäbe, sie lägen alle beide in Berlin, die Kompasse dieser Welt würden alle Menschen hier her führen und irgendwie tun sie das ja schon. Wie oft habe ich schon süffisant gelächelt, wenn mich jemand nach Friedrichshain eingeladen hat. Für mich klingt das, als solle ich auf einem Gaul ins exotische Morgenland reiten. Die Freundschaften zerbrachen und Friedrichshain wurde zu meinem Moskau, von dem ich immer einen gefühlten Tagesmarsch entfernt bleiben sollte. Der Zug fährt in Frankfurt ein und ich verstaue beide Bücher in meiner Tasche. Mein Seminar beginnt bald und ich laufe eilig Richtung Oder. Aus Słubice kommend beeilt sich eine polnische Kommilitonin, pünktlich zu demselben Seminar zu kommen. Des einen Moskau ist des anderen New York. Büscher, Wolfgang: Berlin – Moskau. Eine Reise zu Fuß. Hamburg: Rowohlt, 2003. Osang, Alexander: Berlin – New York. Alle Kolumnen aus der schönen neuen Welt. Frankfurt am Main: Fischer, 2006. ...Familie doch super ist. Ich hab' da so zwei Tanten. Die habe ich noch nicht lange. „Familie kann man sich nicht aussuchen“ hat mein Vater mal als Grund genannt für den Streit, der bis heute anhält. Und damit hat er recht. Meinen peinlichen Onkel zum Beispiel, der immer noch einen schlechten Scherz auf Lager hat. Die strebsame Cousine, die in allem besser ist als man selbst. Und nicht zuletzt die jüngeren Geschwister, die ja per se die uncoolsten im ganzen Universum sind. Dass mein Vater sich mit den seinigen also verstritten hat, ist demnach nur zu gut nachvollziehbar.
Während ich also heran wuchs und mir auf jedem erdenklichen Familienfest den Katzentisch mit Onkel Quatschmichvoll und Cousinchen Einsplusmitsternchen teilte, feierten die Schwestern meines Vaters eigene Feste und gründeten eigene Familien. Bessere Familien, vielleicht. Mit besseren Festen. Die Messlatte liegt ja, wie gesagt, nicht hoch. Familie kann man sich nicht aussuchen. Ebensowenig habe ich mir ausgesucht, diese zwei Tanten und ihre Familien nie kennenzulernen. Vor kurzem bin ich also losgezogen, habe die beiden gesucht und jetzt hab' ich da so zwei Tanten. Die zwei Tanten haben tatsächlich Familien gegründet, ich hab' jetzt auch zwei Cousinen und zwei Cousins. Und die zwei Tanten feiern Feste, zu denen ich jetzt auch eingeladen bin. Bin ja jetzt schließlich Familie. Familie kann man sich nicht aussuchen. Das ist blöd, da hat mein Vater recht. Dass sich die Familie auch mich nicht aussuchen konnte, das ist gut. Meine Tanten ahnen nicht, dass ich früher bei Museumsbesuchen unerträglich gequengelt und geschrien habe, wenn wir heute durch eine Ausstellung schlendern. Meine Cousinen und Cousins wissen nicht, dass ich ständig geschwänzt und etliche Klausuren erst im zweiten Anlauf bestanden habe, während sie die Resultate meiner Studienlaufbahn bewundern. Rückblickend bin ich plötzlich ein ruhiges, wissbegieriges Kind und ein umgänglicher, gewissenhafter Pubertierender gewesen. Stimmt ja auch. Ungefähr. Im Resultat sitze ich nun schließlich mit meinen Tanten in einer Bar in Kreuzberg und bin ein Neffe, an dem man nicht viel aussetzen kann. Wir rauchen zu dritt vier Schachteln Zigaretten weg, trinken die gesamte Spirituosenkarte rauf und runter und erzählen uns Dinge, die ich sonst nur an gute Freunde ausplaudern würde. Derselbe rauchende, trinkende und promiskuitive Fünfzehnjährige hätte bestimmt weniger Anklang gefunden. Im Gegenzug bewundere ich sie für die sympathischen und intelligenten Cousinen und Cousins, die ich ihnen zu verdanken habe. Von Neid auf deren Einsplusmitsternchens keine Spur. Ich find' sie großartig, diese zwei tollen Tanten, die im übrigen auch immer einen Scherz auf Lager haben, und ich feiere gerne Feste mit ihnen. Das macht man ja schließlich mit der Familie. Das Schlechte an Familie ist, dass man sie sich nicht aussuchen kann. Das Gute an Familie ist, dass sie sich mich nicht aussuchen kann. Man kann sich ebensowenig die einem zugedachte Rolle aussuchen, denn das ist Familie doch eigentlich: ein Laientheaterstück, dessen schärfster Kritiker man selbst ist. Aber man kann sich aussuchen, ob man sich einfach mal vor ihre Haustür stellt, klingelt und Hallo sagt, denn man gehört ohne Fragen und Klagen dazu. Und darum ist Familie doch super. MOL, das heißt Märkisch-Oderland. Ich überlege kurz, ob es wirklich keine Abkürzung für Moldawien ist, als wir in Silkes neuem Auto durch so seltsame Ortschaften wie Letschin, Sietzing oder Ihlow fahren. Vorläufiger Höhepunkt ist Horst. Wir sind in Horst. Anhalten, Foto vom Ortsschild machen. Horst und all seinen märkisch-oderländischen Geschwistern ist gemein, dass man hier wunderbar traurig-bunte Lana del Rey-Musikvideos drehen könnte. Dorfkulissen, die ihre besten Jahre hinter sich haben, aber im richtigen Licht doch irgendwie vintage aussehen. Wunderbar verrottete Hütten, planwirtschaftlich verputzt, zerbrochene Fensterscheiben. Breite Alleen in Herbstfarben, frischgepflastert, unbefahren. Auf dem malerischen Waldweg hinter Horst würde selbst Lana noch ein verzerrtes Lächeln über die Lippen bringen, wobei Waldweg in diesem Fall ein Euphemismus für Traktorreifenrinne mit Baumbewuchs ist. Tapfer fahren wir weiter, über Stock und Stein, abenteuerlich wie im Kinderreim. Kein Platz für summertime sadness hier im wilden Osten.
Bildrechte: Devid Mrusek Die Gropiusstadt war immer schon irgendwie Außenseiter. Vor gut fünfzig Jahren wurde die Satellitensiedlung im damaligen West-Berlin aus dem Boden gestampft. Rein zweckmäßig, um der nahenden Wohnungsnot entgegenzuwirken. Geringverdiener, die bisher die Hinterhäuser und Seitenflügel der Kreuzberger Altbauten bevölkerten, sollten hierhin umgesiedelt werden. Und so schön grün war es hier, an der Grenze zur Brandenburger Steppe. Dass der Plan nur mäßig gut aufging, weiß man nicht erst seit Wir Kinder vom Bahnhof Zoo.
Von weitem sah alles neu und sehr gepflegt aus. Doch wenn man zwischen den Hochhäusern war, stank es überall nach Pisse und Kacke. Das kam von den vielen Hunden und den vielen Kindern, die in Gropiusstadt leben. Am meisten stank es im Treppenhaus. Meine Eltern schimpften auf die Proletenkinder, die das Treppenhaus verunreinigten. Aber die Proletenkinder konnten meist nichts dafür. Das merkte ich schon, als ich das erste Mal draußen spielte und plötzlich mußte. Bis endlich der Fahrstuhl kam und ich im 11. Stockwerk war, hatte ich in die Hose gemacht. Mein Vater verprügelte mich. Als ich es ein paarmal nicht geschafft hatte, von unten rechtzeitig in unser Badezimmer zu kommen, und Prügel bekam, hockte ich mich auch irgendwo hin, wo mich niemand sah. Da man aus den Hochhäusern fast in jede Ecke sehen kann, war das Treppenhaus der sicherste Platz. aus Felscherinow, C.: Wir Kinder vom Bahnhof Zoo. Hamburg: Gruner+Jahr, 1978. Eine ähnliche Kulisse baut der junge Autor Frédéric Valin in seiner Anekdotensammlung Randgruppenmitglied auf, die er anlässlich der Feierlichkeiten zum fünfzigjährigen Jubiläum der Gropiusstadt in der eigenens dafür eingerichteten Sky Lounge im 30. Stock eines Wohngebäudes vorträgt. Seine Berichte handeln von den Bewohnern einer Behindertenwohngruppe, die ähnlich zwanglos mit ihren eigenen Fäkalien hantieren, von jugendlichen Landeiern auf der Suche nach einer identitätsstiftenden Subkultur oder von einer Altenheimbewohnerin, die sich nichts sehnlicher wünscht als zu sterben. Periphere Existenzen, die den Besuchern der Lesung ein bitteres Schmunzeln abringen - sitzen doch auch hier größtenteils Buckower Rentner, die vermutlich wegen der großartigen Aussicht hergekommen sind. Der Wolkenkratzer in der Fritz-Erler-Str. 120 ist das höchste Wohnhaus Berlins und eines der höchsten Deutschlands und führt trotzdem seit jeher ein Randgruppendasein wie die Figuren aus Valins Roman. Es beherbergt keine Loftwohnungen wie das Colonia-Hochhaus am Kölner Rheinufer und ist nicht innenstadtnah wie die Mundsburg-Tower in Hamburg. Immerhin: die Organisatoren beweisen Selbstironie, indem sie Valin sein Randgruppenmitglied an diesem Ort vortragen lassen. Ein sympathischer Außenseiter, das ist die Identität, die die Gropiusstadt anstrebt. Zwar irgendwie anders, aber eben gut anders. Kauzig und nonkonform, das wollen doch alle. Die Gropiusstadt hat ihren Charme, sicher. Von der Terrasse kann man bis zum Fernsehturm schauen, die Natur ist tatsächlich um die Ecke und das mit dem sozialen Brennpunkt ist inzwischen auch nicht mehr so schlimm wie in den Achtzigern. Allenfalls noch ein soziales Knistern, hier lodert auch nicht mehr oder weniger als in den hippen Kiezen Neuköllns oder Kreuzbergs. Gemütliche Lagerfeuerstimmung will allerdings auch nicht aufkommen. Valins Lesung dürfte das vorläufige kulturelle Highlight in der Südberliner Prärie bleiben; die wenigen Unter-Vierzigjährigen, die sich auf die lange Reise in der U7 begeben haben, flüchten mit ihrem signierten Exemplar von Valins Roman, sobald der letzte Applaus verstummt ist. Auch geringere Mieten und moderate Heizkosten werden sie nicht aus ihren Altbauwohnungen in der Innenstadt locken können. Valins unterhaltsam trockene Art, von den tristen Schicksalen des Alltags zu berichten, verfehlt ihren Effekt nicht: hier können sich die Hipster mal so richtig gruseln. Jede Gruppe junger Leute, die den Raum frühzeitig verlässt, wird von einem Rentner am Eingang mit einem Knurren verabschiedet. Vielleicht muss er auch bloß mal husten. Ein dickes Mädchen, das alleine in einer Ecke sitzt, hat einen Stadtplan aufgefaltet und gleicht ihn mit der Aussicht aus dem Fenster ab. Über die Freisprecheinrichtung ihres Handys erzählt sie einer Freundin im Flüsterton, wie sehr sich der Ausflug in die Gropiusstadt gelohnt habe und dass es wirklich „total spitze“ sei. Sie haben hier echt „richtig viel Spaß“, sie und ihr Stadtplan. aus |
Am Rhein die Frau, die ein Fisch ist, geht mit dem Rhein sie will etwas sagen, doch fällt ihr nichts ein die Schnellen. Kiesbänke. die Drift nach Nord von Winter zu Sommer zu… undsofort. die Frau will sprechen. die Berge schweigen. die Frau sieht die Berge sich über sie neigen. die Frau die ein Fisch ist, fährt BMW. die Berge tun ihr in der Seele weh. sie schwimmt im Fluß der sich selbst überholt. die Schwere der Berge im Radio als Lied. die Frau, die ein Fisch ist spürt wie ihr geschieht. sie ist auf Nord und auf Süd gepolt. durch sie hindurch strömt das ganze Land. sie fährt das Auto über den Damm von unter den Wellen her schaut sie was an | Ufm Riitamm Dia Frau, wo an Fesch isch, goot met am Rii well eppis säga, abr fallt‘ra nüüt ii d‘ Schnälla, Keesbenk, s‘Rotscha gi Nord vom Wintr zom Summr zom… undsofort dia Frau well reda. d‘Bärg sägn nüüt. dia Frau sächt dr Bärg, wo se öbr si büügt. dia Frau wo an Fesch isch, faart BMW. dia Bärg tuand‘ra i dr Seel aso wee. sie schwimmt im Wassr wo sich sälb öbrholt. s‘Gwecht fo da Bärg usm Radio als Liad. dia Frau, wo an Fesch isch spürt was‘ra passiert. uf Nord und uf Süd hätt ma si poolt. s‘ganz Land flüüst dor si dori. si faart dr Karra aha for Baa vo untr da Wälla luagat si‘s aa |
bleischwere Gedanken, die hinter Klinkern wohnen.
Nackte Beine im Vorgarten des August, der stumme Laut
einer leichten Bö unter Blättern, auf denen Worte sich ranken.
Staub schwebt träge durch die Gasse.
Seifenduft auf der Terrasse. Kopfsteinpflasterbucht.
Winzige Schatten auf der Flucht.
Spiel es, Sam. Orchester vom Band in Casablanca.
Bleibt hier, Antonia un dien trurige Klüsen.
Uns bleibt immer noch Oldenburg in Gedanken
und der tränenfarbene Himmel auf Bögen Papier.
wir werfen den Anker auf steinerne Fliesen.
Dort fließt die Hunte, siedendes Meer.
Verwelkte Tinte, die Kleidung vom Leib
schreib' ich dir und lache sehr.
(vgl. Derek Walcott - Bleecker Street, Summer. 1930)
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